1.3 Versionen Kartographischer Modellformen
Das Konzept „Thematisches Raummodell“ nach Ernst Spiess und die daraus abgeleiteten Kartographischen Modellformen bilden die Voraussetzung, um grundlegende Ansätze der visuellen Wahrnehmung und georäumlichen Informationsverarbeitung beurteilen zu helfen. Da sich aus diesen Grundlagen auch relevante Kriterien für die Einschätzung von Erkenntnissen zu „kartographischen“ Wahrnehmungsprozessen ergeben, werden im Folgenden die wichtigsten Versionen von Modellformen dargestellt (vgl. Abb. 13.1, 13.2 und 13.3). | Mit den Erläuterungen zu den Kartographischen Modellformen wird eine systematische und nachvollziehbare Erkenntnisbasis angeboten. |
1.3.1 Strukturmerkmale als Wirkungskomponenten
In den unterschiedlichen Anwendungsgebieten der Kartographie sind nicht sämtliche Modellformen von gleichem Interesse. Daher werden zwar im Folgenden die wichtigsten Formen schematisch aufgeführt, danach aber besonders die flächen- und oberflächenbezogenen Strukturtypen hinsichtlich ihres visuellen Leistungspotenzials theoretisch analysiert und empirisch untersucht. | Es werden die flächen- und oberflächenbezogenen Strukturtypen analysiert und empirisch untersucht. |
Als Grundlage für diese Untersuchung werden zentrale Wirkungskomponenten unterschieden, die als Strukturmerkmale den Kartographischen Modellformen zugeordnet werden können. Unmittelbar wirkungsbestimmend sind dabei, wie es in Tab. 13.1 zusammengefasst ist, die
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Es werden die Wirkungskomponenten von vier Strukturmerkmalen Kartographischer Modellformen unterschieden: |
Die Grundrissgeometrie von georäumlichen Objekten kann, wie schon im Teil A der Arbeit ausgeführt wurde, nur bedingt adäquat kartographisch abgebildet werden (vgl. Teil A, Kap. 4.2). Dieses Phänomen resultiert in der Regel nicht aus dem Verhältnis von Realität und Abbildung, sondern aus dem Verhältnis von maßstabsbedingtem und geometrisch definiertem „Modellgrundriss“ und der Zweidimensionalität graphischer Abbildungen. Beispielsweise werden Standorte von Kraftwerken, die in der Regel eine relativ große Grundrissfläche aufweisen, aufgrund eines abbildungsbedingten Verkleinerungsmaßstabes durch das „Zentrum“ der eingenommenen Grundrissfläche als „geometrischer Punkt“ definiert. Dieser 0-dimensionale Punkt wird dann 2-dimensional in der Kartenebene abgebildet. Vergleichbar ist das Abbildungsverhältnis bei „Linien“, die als 1-dimensionale geometrische Konstrukte ebenfalls 2-dimensional abzubilden sind. „Flächen“ werden dagegen in der Ebene, entsprechend ihrer zweidimensionalen Ausdehnung, angemessen optisch wiedergegeben. Allerdings entstehen besonders bei „flächenhaften“ Modellformen zum Teil widersprüchliche Konstruktionen, wie z. B. bei den Formen Flächendiagramm, Punktdichte und Flächenumrandung. Bei ihnen werden zusätzlich oder als Alternative zu den Flächeneinheiten punkt- und linienhafte Elemente angelegt, die den flächigen Charakter bzw. den optische Zusammenhalt einzelner Flächeneinheiten visuell einschränken (vgl. Abb. 13.2). | Die Grundrissgeometrie von georäumlichen Objekten kann nur bedingt adäquat kartographisch abgebildet werden. Dies resultiert aus dem Verhältnis von maßstabsbedingtem und geometrisch definiertem „Modellgrundriss“ und der Zweidimensionalität graphischer Abbildungen. |
Die Konstruktionsgeometrie von Modellformen resultiert zum Teil aus unterschiedlichen konstruktiven Überlegungen und bildet Kompromisse, die sich aufgrund „gestalterischer Konventionen“ erhalten haben und daher häufig kaum noch nachvollzogen werden können. Die Merkmale Zeichengrundriss und Zeichenabstufung entsprechen bei den punkt- und linienhaften Konstrukten, hinsichtlich der Relation „Grundrisstrennung“ sowie diskreter oder stetiger Abstufung der Z-Werte, den unmittelbar zu erwartenden visuellen Wirkungen. Bei Flächen- und Gitterschemata, wie z. B. bei den Modellformen Flächendiagramm, Punktdichte und Gitterdiagramm, ist das Verhältnis von Daten- und Zeichengrundriss zum Teil nicht eindeutig. Auch beim Oberflächenmodell Isarithmen entspricht die Wirkung von „Linienscharungen“ nicht unmittelbar den zu erwartenden „stetigen Übergängen“ einer gewölbten Fläche, da sie aus den „diskreten“ Abständen bzw. der Dichte von Linien visuell abgeleitet werden müssen. Bei der Modellform Verbreitungsfläche, die in der Regel auf der Basis „vager“ Grundrissabgrenzung konstruiert werden, lassen sich nur bedingt entsprechend kontinuierlich wirkende Übergänge vorstellen. Es erklärt aber die formale Unterscheidung zur Modellform Mosaikfläche, deren Abgrenzungen häufig aufgrund „eindeutiger“ Verwaltungseinteilungen erfolgen. | Die Konstruktionsgeometrien von Modellformen resultieren zum Teil aus unterschiedlichen konstruktiven Überlegungen und bilden Kompromisse oder haben sich aufgrund von „gestalterischen Konventionen“ erhalten.
Die Konstruktion und die Wirkungen sind daher häufig nur noch bedingt nachvollziehbar. |
Die Ordnungsgraphik bei Kartographischen Modellformen ergibt sich im Wesentlichen aus der Funktion und Wirkung Graphischer Variablen. Dieses Konzept erscheint, bei Einhaltung der von Bertin (1974) Bertin, J. (1974): Graphische Semiologie. Diagramme, Netze, Karten. Berlin, New York vorgeschlagenen Definitionen, in der Kernaussage plausibel. Probleme entstehen allerdings generell bei der Bildung von Reihen mit Hilfe von Farben, Helligkeiten und Texturen. Bei dieser Reihenbildung ergeben sich zwischen physikalisch vorgegebenen und visuell empfundenen Kontrasten Abweichung, die nur schwer festzustellen und zu verallgemeinern sind. Bei Punkt- Linien- und Flächenformen sind die Beziehungen zwischen Skalierungsniveau und Graphischer Variablen in der Regel nachzuvollziehen (vgl. Abb. 13.1). Dagegen kann bei Oberflächenmodellen diese Beziehung nur indirekt abgeleitet werden. | Die Ordnungsgraphik umfasst die Funktion und Wirkung Graphischer Variablen. Ihr Konzept ist in der Kernaussage plausibel. |
Mit der Bedeutungsgraphik sind nur bedingt einheitliche Strukturmerkmale verbunden. Ihr kommt als Referenz konventionell und bildlich geprägte ikonische, ikonographische, symbolische und indexikalische Merkmale sowie reizbedingt Ordnungen und Bewertungen als gedanklich verfügbare Bedeutungskonstrukte mit einer mehr individuell erfahrbare expressive Wirkung zu (vgl. Teil A, Kap. 4.1.2.1). Sie ist daher auch nicht im Konzept des Raumkontinuums und in den Kartographischen Modellformen angelegt bzw. differenziert. Trotzdem kommen auch bei der „Bedeutungsgraphik“ formale Festlegungen oder visuelle Konventionen zum Tragen, wie es durch die oben genannten Arten der Referenzierung aber auch z.B. durch Kreise und Rechtecke für Diagramme oder bei „indexikalischen Formen“, durch Pfeile als Richtungsvektoren, deutlich wird. | Die Bedeutungsgraphik hat keine einheitlichen Strukturmerkmale, sondern ihr kommt als Referenz zwischen ikonischen, ikonographischen, symbolischen und indexikalischen Merkmalen eine individuell erfahrbare expressive Reizwirkung zu. |
Tabelle 13.1: Strukturmerkmale Kartographischer Modellformen |
1.3.2 Wahrnehmungsfaktoren
Die als Kartographische Modellformen optisch unterschiedenen Szenerien repräsentieren räumliche Oberflächen mit zum Teil hochabstrakten optischen Strukturen, von deren Wirkung der gesamte Wahrnehmungsprozess betroffen ist. Sie beeinflussen aber zusätzlich Vorgänge, die verschiedenen Prozessphasen der Wahrnehmung zugeordnet und als „Kartographischer Wahrnehmungsraum“ konzeptionell beschrieben worden sind (vgl. Bollmann 1993Bollmann, J. (1993): Geo-Informationssysteme und kartographische Informationsverarbeitung. In: Beiträge zur Kultur- und Regionalgeographie, 9, 63-74, Universität Trier, Heidmann 1999Heidmann, F. (1999): Aufgaben- und nutzerorientierte Unterstützung kartographischer Kommunikationsprozesse durch Arbeitsgraphik. Konzeptionen, Modellbildung und experimentelle Untersuchungen. (Diss.) Herdecke, Müller 2000 Müller, A. (2000): Nutzerunterstützung in elektronischen, kartographischen Medien. Ein Modell zur Entwicklung interaktiver Karten am Beispiel einer DV-gestützten Kartierung. Diss., Universität Trier). Nach diesem Konzept werden folgende Teilräume der Wahrnehmung unterschieden:
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Modellformen beeinflussen Vorgänge in verschiedene Prozessphasen oder Teilräumen der Wahrnehmung: |
Mit diesen Wahrnehmungsräumen sind unterschiedliche Prozessformen der Wahrnehmung bis hin zu Vorgängen der „Problemlösung“ oder „Entscheidungsfindung“ im Rahmen von Handlungen angesprochen. Das bedeutet, dass die angebotenen Modellformen in unterschiedlicher Ausrichtung visuell-gedanklich wirken und durch ihre geometrischen, inhaltlichen und graphischen Komponenten sowie durch ihre räumlich-kategorialen Gliederungen Einfluss auf die Ergebnisse unterschiedlicher Phasen der Informationsgewinnung nehmen können (vgl. Tab.13.1). | Es werden unterschiedliche Prozessformen der Wahrnehmung und Kognition angesprochen, wie Problemlösung und Entscheidungsfindung in Handlungszusammenhängen. |
Für die aufgeführten „Teilräume“ der Wahrnehmung lassen sich spezifische Bedingungen unterscheiden, nach denen Wahrnehmungsprozesse erfolgen. Unter Bedingungen sind Fragestellungen, Zielvorgaben und Aufgabestellungen zu verstehen, nach denen abzuleitende visuelle Reize, Informationen, Wissensstrukturen und Handlungsweisungen zu verarbeiten sind. In der Regel handelt sich dabei um „top-down geleitete Prozesse“, die beispielsweise die methodische Vorgehensweise, die Verteilung der Aufmerksamkeit und die erforderliche Wissensansprache im Prozess der Wahrnehmung mitbestimmen und woraus unter bestimmten Zielbedingungen verschiedene Wahrnehmungsergebnisse resultieren. Für die Wahrnehmung in Karten lassen sich folgende Wahrnehmungskategorien unterscheiden, nach denen die Strukturmerkmale von Kartographischen Modellformen zur Wirkung kommen (vgl. dazu Weidenmann 1994a Weidenmann, B., Hrsg. (1994a): Wissenserwerb mit Bildern. Bern): | Wahrnehmungsbedingungen sind Fragestellungen, Zielvorgaben und Aufgabestellungen, nach denen visuelle Reize, Informationen und Wissen abgeleitet und verarbeiten werden.
Es werden Wahrnehmungskategorien unterschieden, nach denen die Strukturmerkmale von Kartographischen Modellformen zu Wirkung kommen: |
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Die in diesen Vorgängen wirkenden Strukturmerkmale verfügen über unterschiedliche Wirkungseigenschaften, die insgesamt die Ausrichtung, aber auch das erforderliche Leistungsniveau der Wahrnehmung mitbestimmen. Zusätzlich wird die Wahrnehmung allerdings durch emotionale und motivationale Einstellungen beim Wahrnehmenden, die durch die Wirkung von Modellformen hervorgerufen werden können, beeinflusst (vgl. Aronson et al. 2008Aronson, E.; Wilson, T.D. u. Akert, R.M. (2008): Sozialpsychologie. Hallbergmoos; Stroebe et al. 1996Stroebe, W. u. Jonas, K. (1996): Grundsätze des Einstellungserwerbs und Strategien der Einstellungsänderung. In: Sozialpsychologie, 253-289, Berlin). Auch „konnotative Merkmale“ von Zeichen, die häufig unbewusst bei der Verarbeitung der Zeichenbedeutung eine Rolle spielen und die durch die Struktur der Modellformen hervorgerufen werden können, führen vergleichsweise zu „unscharfen“ oder nicht leicht interpretierbaren Ergebnissen. Da diese individuelle gedankliche Positionierung des Wahrnehmenden einen erheblichen Einfluss auf den Wahrnehmungsprozess hat (vgl. dazu Eco 1987Eco, U. (1987): Semiotik. Entwurf einer Theorie der Zeichen. München.; Tainz 2002bTainz, P. (2002b): Konnotation. In: Lexikon der Kartographie und Geomatik. 2, Heidelberg), wird sie als Faktor bei der Beurteilung der von den Modellformen ausgehenden Wirkungen zu berücksichtigen sein. | Bei den beschriebenen empirischen Untersuchungen werden motivationale Aspekt der Informationsverarbeitung berücksichtigt sowie die „konnotativen Aspekten“ der kartographischer Zeichenbedeutung. |
1.3.3 Ableitung von Informationen
Wie schon weiter oben ausgeführt wurde, bilden Kartographische Modellformen quasi ein konzeptuelles Regelwerk, mit dessen Hilfe die Verknüpfung von räumlichen und inhaltlichen Merkmalen eine angemessene Abbildungsform gewählt werden kann. Häufig stellt sich allerdings in der Praxis das Problem, dass die generierte Struktur von Daten nicht eindeutig nachzuvollziehen ist. Vor allem durch statistische Berechnungen oder durch Transformationen im Rahmen von Geoinformationssystemen können sowohl die geometrischen als auch die substanziellen Daten erheblich verändert sein. | Bei der praktischen Anwendung von Modellformen können geometrische und substanzielle Daten durch statistische Berechnungen erheblich verändert sein. |
Eine wichtige Transformation für den geometrischen Bereich ist die Veränderung der Grundrissdimension von Objekten durch die Überführung von Standortdaten in Verbreitungsflächen oder in stetige Oberflächen, wie es für die Bereiche der Raum- und Umweltwissenschaften, der Sprachforschung und auch für viele andere Wissenschaftsdisziplinen relevant ist (vgl. Abb. 13.2 u. 13.7). Im „substanziellen Bereich“ handelt es sich um Transformationen wie | Eine wichtige Transformation ist die Veränderung der Grundrissdimension durch die Überführung von Standortdaten in Verbreitungsflächen oder in stetige Oberflächen. |
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Diese substanziellen Datenberechnungen sind häufig mit geometrischen Transformationen verbunden, oder sie sind von vorneherein in den Berechnungen berücksichtigt, wie z.B. beim sogenannten Krigingverfahren (Stauber 2002Stauber, M (2002): Kriging-Verfahren. In: Lexikon der Kartographie und Geomatik. Heidelberg), mit dessen Hilfe beispielsweise Daten für Netze in Gitterform bzw. für Oberflächen berechnet werden können (vgl. Abb. 13.6). Die Anwendungen dieser Transformationen sind in der Regel von bestimmten fachlichen Fragestellungen abhängig, wobei deren Darstellungen die Ergebnisse der nachfolgenden Informationsgewinnung durchaus erheblich beeinflussen können. | Substanzielle Berechnungen sind häufig mit geometrischen Transformationen verbunden, oder sie werden von vorneherein, wie bei dem Krigingverfahren, in Berechnungen berücksichtigt. |
Sämtlichen digital-elektronischen Karten ist gemeinsam, dass mit ihnen in unterschiedlichem Umfang navigiert und sie interaktiv verändert und damit ihre Anwendungen gezielt gesteuert werden können. Als Ergebnis entstehen Modellformen, mit unterschiedlichen Informationspotenzialen. So ist es möglich, das Angebot gewünschter oder erforderlicher Informationen auszuwählen oder das Angebot von Informationsstrukturen visuell abzugleichen und zu überprüfen. Beispielsweise für die schulische Didaktik ist diese Variabilität durchaus ein relevanter Faktor, da die Wirkung unterschiedlicher Modellformen variabel demonstriert und damit ihr Einsatz für die Abbildung spezifischer Thematiken vermittelt werden kann (vgl. Diekmann-Boubaker 2010, S. 17f Diekmann-Boubaker, N. (2010). | Digital-elektronische Karten können interaktiv verändert werden. Dadurch können sich Modellformen mit ganz bestimmten Informationspotenzialen ergeben. |
Die Grundrissgeometrie von Objekten führt, neben ihrer Funktion zur visuellen Ableitung von individuellen Grundrissformen, zur Vorstellung von getrennten oder verbundenen Informationseinheiten. Allerdings können Lage- oder Abstandsrelationen bei linienförmigen Modellformen aufgrund vorgegebener wechselnder und unregelmäßiger Abstandsrelationen nur mit größerem visuell-gedanklichen Aufwand abstrahiert werden (vgl. Abb. 13.4 u. 13.5). Die Wahrnehmung dieser Relationen ist aber erforderlich, um Informationen von begrenzten räumlichen Abschnitten oder im gesamten Gesichtsfeld („Kartenfläche“) gedanklich als Einheit abzuleiten bzw. für Folgeprozesse mittel- und langfristig zu speichern. Oder bei oberflächenförmigen Modellformen (vgl. Abb. 13.7) können, aufgrund ihrer „kontinuierlichen Wertübergänge“, zu selektierende Informationscluster (Häufungen) nur beschränkt visuell isoliert bzw. abgegrenzt werden. | Die Grundrissgeometrie führt, neben der visuell abzuleitenden individuellen Grundrissform, zur Vorstellung von getrennten oder verbundenen Informationseinheiten. |
Bei der Konstruktionsgeometrie liegt eine vergleichbare Situation vor, wobei die Kombination von „Zeichengrundriss“ und „Zeichenabstufung“ zu komplizierten optischen Szenerien führt, deren Strukturen häufig nicht sicher nachvollzogen werden können. So setzen sich einige Modellformen aus einer Kombination von Objektgrundriss, verschiedenen graphischen Elementen bzw. komplexen graphischen Einheiten zusammen. Diese entsprechen nicht der Dimension der zugrundeliegenden Daten, da sie theoretisch berechnet sind. (vgl. Abb. 13.2, besonders flächenförmige Modellformen). | Die Kombination von Merkmalen des „Zeichengrundrisses“ und der „Zeichenabstufung“ führt zu komplizierten optischen Szenerien, so dass die visuell-kognitive Ableitung von Informationen häufig nicht leicht nachvollzogen werden kann. |
Für die Ordnungsgraphik ist das Informationsangebot von Graphikmerkmalen ausführlich bei Bertin (1974) Bertin, J. (1974): Graphische Semiologie. Diagramme, Netze, Karten. Berlin, New York abgehandelt worden. Ihre Wirkungen im Rahmen von „Thematischen Modellen“ werden in Abbildung 12.11 demonstriert. Allerdings sind die graphischen Bedingungen, die von Bertin für die Wirkung von Graphischen Variablen definiert sind, häufig weniger eindeutig, als es die theoretischen Vorgaben vermuten lassen. So ist z.B. bei der graphischen Variablen „Farbe“, der für die Farbreihenbildung vorgeschriebene einheitliche Grauton, nur schwer reproduzierbar. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wirkungen, die von solchen Farbreihen ausgehen sollen, durch visuell-optische Überlagerungen zusätzlich beeinflusst werden und dadurch die theoretisch vorgegebene Ordnung häufig nicht visuell abgeleitet werden kann. Ein weiteres Problem ergibt sich auch bei der Abstufung von Grautonreihen, bei der vermutet wird, dass die präsentierte „physikalische Gleichabständigkeit“ nicht zu der visuell-gedanklich angestrebten Abstufung von Informationen führe (vgl. Teil A, Kap. 2.6.2.2). | Das Informationsangebot der Ordnungsgraphik, das durch die Graphischen Variablen vorgegeben ist, ist nicht immer eindeutig. |
Grundsätzlich gehen diese Überlegungen zum Angebot von visuellen Reizen und den daraus abzuleitenden Wirkungen (Informationen) von einer unmittelbaren Beziehung zwischen Reiz und Empfindung aus und wird schon bei Fechner (1860)Fechner, G.Th. (1860): Elemente der Psychophysik. 2 Bände, Leipzig mit dem Wahrnehmungszusammenhang von „distalen Reizen“ und „proximalen Reizen“ angesprochen (vgl. Teil A, Kap. 3.4). | Das Angebot von visuellen Reizen und den daraus abzuleitenden Informationen, geht von einer unmittelbaren Beziehung zwischen Reiz und Empfindung aus. |
Bei James Gibson (1982)Gibson, J.J. (1982): Wahrnehmung und Umwelt. München spielt das Problem des „angebotenen Reizgeschehens“ eine ähnliche Rolle, wird aber, da es aktiv so wahrgenommen wird, wie es in seinen verschiedenen visuellen Facetten interpretierbar ist, in seiner Wirkung erweitert. Das heißt, dass Gibson im Rahmen seines „psychoökologischen Wahrnehmungsansatzes“ zwar von bottom-up geleiteten Prozessbedingungen ausgeht. Diese würden aber, durch Interaktion des Wahrnehmenden, erst aufgrund bestimmter Eigenschaften der erlebten Realität (Graphik) zu relevanten Informationen führen. Obwohl dieser Ansatz in der Wahrnehmungspsychologie nicht unumstritten ist, lässt sich daraus durchaus ableiten, dass bei Kartographischen Modellformen nicht nur das angebotene Reizgeschehen zu unmittelbaren Wirkungen führt, also vorgegebene Merkmale der Grundriss- und Konstruktionsgeometrie sowie der Ordnung- und Bedeutungsgraphik für die Informationsgewinnung unmittelbar empfindungsgemäß zum Tragen kommen. Es bedeutet vielmehr, dass Reize optisch angeboten (distale Reize), visuell aufgenommen aber gedanklich „weiterverarbeitet“ werden und erst daraus abgeleitet, zu entsprechenden Informationen führen (vgl. auch Klix 1971, S. 252ff Klix, F. (1971): Information und Verhalten. Kybernetische Aspekte der organismischen Informationsverarbeitung. Einführung in naturwissenschaftlichen Grundlagen der Allgemeinen Psychologie. Bern). | Gibson geht von bottom-up geleiteten Prozessbedingen aus, die durch visuelle Interaktionen des Wahrnehmenden zu relevanten Informationen führen.
Es kommt so nicht nur das unmittelbare Reizgeschehen zum Tragen. |
Diese Überlegungen korrespondieren mit den unterschiedlichen top-down geprägten Einflüssen im Wahrnehmungsgeschehen, die aufgrund bestimmter Fragestellungen zu gezielten Selektionen führen und die vor allem nicht nur auf elementare Informationen, sondern auf komplexe Informationsmuster ausgerichtet sind. Nach Bertin (1974, S.149) Bertin, J. (1974): Graphische Semiologie. Diagramme, Netze, Karten. Berlin, New York lassen sich dazu drei Stufen der Informationserfassung unterscheiden, die auch unmittelbar im Zusammenhang mit der Struktur von Kartographischen Modellformen stehen: | Top-down geleitete Prozesse führen zu gezielten Selektionen und sind mit „Sammlung und Fokussierung der Aufmerksamkeit“ verbunden. |
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Bertin unterscheidet „drei Stufen der Erfassung“: |
Diese formale Definition bildet quasi ein „Gerüst möglicher Fragestellungen“. Für die Beurteilung der visuellen Wirkung von Merkmalen Kartographischer Modellformen sind die oben genannten Unterscheidungen vorläufig ausreichend, werden aber weiter unten noch spezifiziert. So kann beispielsweise die Wirkung von Modellformen durch Konzentrationseffekte beim Kartennutzer beeinflusst werden. Im Lexikon der Psychologie (2000a)Lexikon der Psychologie (2000a): Konzentration. Heidelberg wird ausgeführt: “Durch die Konzentration nehmen Energie und Anspannung des Organismus zu …. fehlendes Interesse, ablenkende Umgebungsreize und Reizüberflutung setzen die Konzentration ebenso herab wie Ermüdung, Sättigung und physische bzw. psychische Beeinträchtigungen“. Diese und weitere Kriterien werden im Zusammenhang mit den in Teil C der Arbeit genannten empirischen Untersuchungen dargestellt und diskutiert. | Für die Beurteilung der visuellen Wirkung von Merkmalen der verschiedenen Modellformen werden die genannten Unterscheidungen weiter spezifiziert. |