C 3.3 Zusammenfassung und Resümee

 

 

3.3 Zusammenfassung und Resümee

Das umfangreiche Datenmaterial der vorliegenden Untersuchung (U1) erfordert eine gezielte fragestellungsorientierte und systematische Bewertung. Wie die vorliegenden Ergebnisse zeigen, ist aufgrund ihrer konsequenten graphischen Ausrichtung ein Vergleich der untersuchten Modellformen hinsichtlich ihrer Wirkungen und Funktionen nur eingeschränkt möglich. Hinzu kommt das Problem, dass die Ergebnisse der Befragungen gegenüber den Messergebnissen der Blickbewegungsuntersuchung unterschiedliche Strukturen aufweisen. Außerdem ergibt sich die Schwierigkeit, die ermittelten Ergebnisse auf bestimmte graphische Strukturen zu beziehen, für die zum großen Teil keine etablierten Definitionen zur Verfügung stehen. Der Versuch in Teil A und B dieser Arbeit, Elemente und Strukturen von Karten zu definieren, orientiert sich zum großen Teil an kartographischen Begrifflichkeiten, so dass die in den Modellformen auftretenden graphischen Faktoren, die besonders in gestalterischer und ästhetischer Hinsicht zur Wirkung kommen, nur bedingt wissenschaftlichen Definitionen entsprechen.
Die „Affektive Befragung“ führte zu einer relativ deutlich positiven Bewertung der Modellform Diskrete Niveauflächen. Mit negativen Vorzeichen lassen sich Gestufte Gittersignaturen und Flächendiagramme im Semantischen. Differenzial abgrenzen. Die Ergebnisse der Befragung mit Hilfe des semantischen Differenzials müssen aufgrund der relativ unbestimmten Beziehungen zwischen angebotenen bipolaren Adjektiven und Modellformen als ein an den weiten Bereich von Empfindung gerichteten Fragestellungen betrachtet werden. Dies war auch beabsichtigt, da sowohl eine Offenheit als auch eine Konkretheit von Fragestellungen angestrebt wurde. Die anfallenden Ergebnisse sind nicht immer leicht zu interpretieren.
Bei der „Offenen Befragung“ ergab sich eine konkretere Bewertung. Es sollte unter anderem herausgefunden werden, ob aus der Betrachtung von graphischen Merkmalen der jeweiligen Modellformen deren Konstruktionsprinzip abgeleitet werden konnte. Dazu wurden für Stetige Niveauflächen und Schattierungen „fließende Übergänge“ und für Isarithmen „Linienscharungen“ genannt. Daneben ergaben sich zahlreiche interessante Beobachtungen, die in Kategorien zusammengefasst werden konnten, sich aber nicht als typisches Merkmal bestimmten Modellformen zuordnen lassen. Bewertet wurden die Choroplethen als eher negative und die diskreten Niveauflächen als eher positive kartographische Präsentationen.
Bei der „Strukturierten Befragung“ fällt auf, dass sich die Antworten in der Mitte der vorgegebenen Rangskalierung des Schemas häufen, was eventuell auf eine gewisse Unsicherheit in der Beantwortung der 10 Fragen schließen lässt. Diese sind auf das Erkennen und Bewerten von graphischen Elementen und Relationen in Bezug auf die sieben Modellformen ausgerichtet und setzen relativ anspruchsvolle Kenntnisse bei den VPn voraus. Ein wichtiges zu vergleichendes Merkmal der Modellformen ist das Verhältnis zwischen der geometrischen Position eines Zielortes und seiner graphischen Ausformung. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Zielorte, denen für eine bestimmte Umgebung (Verwaltungseinheit) eine Relevanz (ein Wert) zukommt. Dieser Sachverhalt ist, außer bei den Choroplethen, bei keiner anderen Modellform unmittelbar optisch gekennzeichnet oder wahrnehmbar. Die VPn haben diesen, nicht explizit formulierten Sachverhalt, eventuell unbewusst durch die relativ negativen Kennzeichnungen von graphischen Faktoren berücksichtigt, da besonders bei den Stetigen Niveauflächen, Isarithmen und Schattierungen die graphische bzw. optische Gesamt- und Detailstrukturierung visuell nicht einfach zugänglich ist.
Zur „Blickbewegungsmessung“ lassen sich die ermittelten Ergebnisse in etwa wie folgt zusammen: Besonders bei den Modellformen Choroplethen und Gestuften Gittersignaturen fällt auf, dass die Blicke extrem über das ganze Bild streuen. Bei der Flächendiagrammkarte häufen sich die Fixationen meist dort, wo mehrere Diagramme eng beieinander liegen. Bei der Schattierungskarte und Diskreten Niveauflächen liegen die meisten Fixationen an den Positionen der Maximalwerte, die Verteilung ist hier wesentlich konzentrierter.
Neben diversen Einzelaussagen zu möglichen prozessualen Vorgängen, lassen sich gewisse grundsätzliche Aussagen zur Fixationsdauer und -anzahl, Sakkadenlänge sowie zu Blickbewegungsmustern treffen. Die aufgenommene Informationsmenge wird mit großer Sicherheit von der registrierbaren Fixationsanzahl im Zusammenhang mit der Fixationsdauer beeinflusst. So lassen wenige aber längere Fixationen an einem Zielort auf einen einfacheren und mehr zielgerichteten Informationsentnahmeprozess schließen. Dagegen lässt eine höhere Anzahl kürzerer Fixationen in Form von Clustern zwar auf mehr abgeleitete Informationen schließen, allerdings eher aufgrund eines ineffektiven Verarbeitungsvorgangs, so dass besonders bei den Diskreten Niveauflächen ein größerer und bei den Gestuften Gittersignaturen und den Stetigen Niveauflächen ein geringerer Umfang zu entnehmender graphischer Informationen zu vermuten ist. Andererseits muss grundsätzlich berücksichtigt werden, dass kürzere Fixationszeiten darauf hindeuten, dass Vorlagen eine schnellere Informationsentnahme ermöglichen als Vorlagen mit längeren Fixationszeiten.
Als Resümee kann festgehalten werden, dass nicht immer nachvollziehbare Ergebnissen zu den eigentlichen Fragestellungen, „welche kartographischen Modellformen über besonders gute oder weniger gute Funktionen und Wirkungen zur Inforrmationsgewinnung verfügen“, ermittelt werden. Unabhängig davon ergaben sich aber zahlreiche Hinweise zu Detailfragen, deren Interpretationen im Rahmern der vorliegenden Arbeit nicht geleistet werden konnten.

Die Erklärung der Ergebnisse lässt sich u.a. wie folgt zusammenfassen: Als wichtigstes Kriterium ergibt sich die Erkenntnis, dass fehlende Instruktionen in graphischen Kartenszenerien zu einer großen Anzahl von Blickbewegungsmustern führen, die nicht ohne weiteres gedeutet werden können. Besonders das wiederholte Blickanfahren von Zielorten aus den unterschiedlichsten Richtungen bzw. Nachbarzielorten, wie es in den meisten Modellformen zu verfolgen ist, ist nicht eindeutig interpretierbar und wird gerade auch mit der Clusterberechnung und den AOIs nur indirekt erfasst. Hier fehlt u.a. die genauere Erfassung bzw. Berechnung von Folgen von Blickrichtungen an und zwischen Zielorten, deren Muster wahrscheinlich besser auf die zugrundeliegenden Wahrnehmungsprozesse schließen lassen. Zum anderen fehlt die Möglichkeit, eine eindeutige Zuordnung von Fixationshäufungen (Clustermustern) zu Zielorten sowie deren Positionen, flächigen Ausbreitung und nähere Umgebung eindeutig festzulegen. Dies muss durch visuelle Interpretationen vorgenommen werden, was aufgrund der häufig komplizierten Blickmuster und zuzuordnenden graphischen Strukturen kaum oder nur eingeschränkt möglich ist. Selbst für einen möglichen rechnergestützten Vergleich von Blickbewegungsmustern und Vorlagenstrukturen, das heißt einer automatischen Analyse georäumlicher Strukturalgorithmen, fehlen musterbeschreibende Datengrundlagen, um daraus Aufmerksamkeits- und Wirkungsverteilungen ableiten zu können.

Im Übrigen gelten diese Anmerkungen nicht im gleichen Umfang für die 2., 3. und 4. Untersuchung dieser Arbeit, da bei diesen Untersuchungen die Wahrnehmungsbedingungen strenger und besser zu verfolgen sind. Es wird versucht, die Ergebnisse der vier Untersuchungen aufeinander abzustimmen, um das eigentliche Ziel dieser Arbeit, die vorgegebenen sieben Kartographischen Modellformen hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile für die Informationsgewinnung vergleichen zu können, zu erreichen.