3. Wirkung graphischer Element und Kartenmuster (Untersuchung U1)
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Für die folgende, allein auf graphische Elemente und Strukturen bezogene Untersuchung, lässt sich die Funktion und Wirkung einer Karte zum einen am Gelingen des visuell-kognitiven Erreichens eines bestimmten Wahrnehmungsziels festmachen und zum anderen an der Form, in der der Wahrnehmungsprozess verläuft, der zum Erreichen dieses Ziels führt. So lassen sich erfolgreiche Prozesse besonders kennzeichnen durch die Direktheit des visuell-gedanklichen Annäherns an Zielorte, der Raschheit und Sicherheit des Ableitens ortsbezogener Elemente und Relationen sowie der verwertbaren Zusammenfassung von gewonnenen Detailelementen zu standortbezogenen Aussagen. Insgesamt können diese Größen mit den Begriffen der Effektivität und Effizienz bewertet werden. Dabei verläuft ein Wahrnehmungsprozess effektiv, wenn aufgrund von erforderlichen Wahrnehmungsoperationen ein angestrebtes Ziel erfolgreich erreicht wird. Ein Prozess verläuft effizient, wenn dies aufgrund von besonders wirksamen, zeitsparenden, angemessenen oder auch zweckmäßigen Vorgängen stattfindet. Beide Aspekte werden – so ist die These der vorliegenden Arbeit – von der graphischen Struktur der jeweiligen Kartographischen Modellform mitbeeinflusst. | |
Abb. 30.1 Modellformen mit direkter und indirekter Graphikzuordnung | |
Die Untersuchung hat also das Ziel, für sieben Modellformen, denen kein inhaltliches Thema zugeordnet ist und für die sich daher unmittelbar auch keine inhaltlichen Fragestellungen ergeben (Abb.30.1), herauszufinden, inwieweit den Graphikmustern der Karten eigenständige und sich unterscheidende Funktions- und Wirkungsunterschiede zukommen. Die Untersuchung zielt auf den Zusammenhang, inwieweit Modellformen generell Wahrnehmungsprozesse beeinflussen und in welcher Form Prozessverläufe durch bestimmte graphische bzw. optisch wirkende Elemente der Modellformen beeinflusst werden. Dabei ergeben sich mindestens zwei Faktoren und Fragen, die den Wahrnehmungsprozess unter Umständen mitprägen, die aber nicht unmittelbar empirisch erfasst werden sollen: | |
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Der erste Sachverhalt ist ein relativ neu diskutiertes Thema der Neurowissenschaften (u.a. Kuerschner 2014Kuerschner, J. (2014): Bewusste und unbewusste Reizwahrnehmung als Partnerprozesse. Placedise Magazine, Herzog et al. 2016Herzog, M. H., Kammer, Th., Scharnowski, F. (2016): Time Slices: What Is the Duration of a Percept? PLoS Biology ; 14, 4). So wird davon ausgegangen, dass Reize erst unbewusst aufgenommen werden und mit Hilfe grundlegender mentaler Funktionen bewusste Aktionen und Entscheidungen aktivieren. Dies wird u.a. damit begründet, dass Entscheidungen häufig so schnell getroffen werden, dass das Bewusstsein aufgrund seiner begrenzten Ressourcen dafür nicht hinreichend genutzt werden kann. Das bedeutet, dass bewusste als auch nicht bewusste reizbezogene Aktionen im Vorfeld unbewusst vorstrukturiert und erst durch die gezielte Steigerung der Aufmerksamkeit wirksam werden. Für die im Folgenden dargestellten Experimente und Befragungen ergeben sich daraus gewisse Unsicherheiten in der Bewertung ermittelter empirischer Erkenntnisse. Allerdings ist generell nicht geklärt, inwieweit sich bewusste und unbewusste Wahrnehmungsaktionen überhaupt in ihren Ergebnissen voneinander unterscheiden und dies somit bei den in der Untersuchung gestellten Fragen eine Rolle spielen würde. |
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Für die Frage nach der unbewussten Assoziation von inhaltlichen mit graphischen Elementen im kartographischen Wahrnehmungsprozess ergibt sich aus Untersuchungen und Beobachtungen die Erkenntnis, dass diese Vorgänge tatsächlich im unterschiedlichen Ausmaß erfolgen. Auch bei Nachfragen konnte allerdings von Versuchspersonen nicht eindeutig ermittelt werden, ob ihr durchgeführter Wahrnehmungsvorgang allein auf graphikorientierten Überlegungen erfolgte oder dabei auch unbewusst inhaltliche Aspekte eine Rolle gespielt haben. | |
Wie vielleicht schon nach diesen Ausführungen deutlich wird, beziehen sich die Fragestellung von U1: Wirkung von Graphikmustern unmittelbar auf die Fragestellung der Untersuchung U2: Wirkung von Informationsmustern. Die folgenden Ausführungen werden allerdings noch unabhängig von diesem Zusammenhang erörtert und erst in den Ausführungen zu U2 wird unmittelbar auf diesen Sachverhalt eingegangen. | |
Im Folgenden werden, im Gegensatz zum tatsächlichen Ablauf der Teiluntersuchungen, zuerst die Ergebnisse der Befragungen und im Anschluss die umfangreichen Ergebnisse zur Blickbewegungsregistrierung präsentiert und diskutiert. | |
3.1 Erhebungen und Befragungen |
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Die Versuchspersonen sämtlicher Untersuchungen wurden durch persönliche Ansprache im Rahmen des Universitätsbetriebs gewonnen. Bis auf wenige Ausnahmen verfügen die VPn, wie schon ausgeführt, über Grundkenntnisse der universitären Kartographie und waren über die Einrichtungen und Aufgaben der Empirischen Kartographie in Trier informiert bzw. waren an vergleichbaren Untersuchungen beteiligt. Somit konnte bei Einführung in die Untersuchungen auf einen relativ sicheren Wissensfundus zurückgegriffen werden. Als Eingangsinstruktionen wurde ein unmittelbar auf die dann folgenden Experimente und Befragungen ausgerichteter Text am Bildschirm präsentiert: |
Reihenfolge der Teiluntersuchungen in U1:
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Mit dieser „Einstimmung“ auf die verschiedenen Fragestellungen der Untersuchung hat sich bei den Versuchspersonen eine motivationale Ausrichtung gezeigt, aus der ein durchaus aktives und verwertbares Antwortverhalten resultiert. Insgesamt muss zu den Fragen und den sich daraus ergebenden Ergebnissen der Untersuchung festgehalten werden, dass ihre Auswertungen und Interpretationen, obwohl im Vorfeld eine zum Teil aufwendige quantitative Datenmodulierungen erfolgte, auf ein angemessenes hohes qualitatives Niveau ausgerichtet ist. Die sich daraus ergebende Beurteilung der Kartographischen Modellformen in ihren Wirkungen und Funktionsmöglichkeiten sowie in der Einschätzung des auf Einzelfaktoren der Modellformen ausgerichteten Blick- und Wahrnehmungsverhalten sind somit auch unter dieser Prämisse zu sehen. | |
3.1.1 Affektbetonte Befragung (Semantisches Differenzial) |
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Karten, auch thematische Karten, werden häufig unter kaum zu definierenden alltäglichen Bedingungen genutzt, wie die Situation der weltweiten Corona-Pandemie (2020/2021) zeigt. So ist es naheliegend, dass bei Untersuchung von kartographischen Wirkungseigenschaften und -mechanismen die Einstellung von Kartennutzern zum jeweiligen Kartengebrauch berücksichtigt werden sollte. Es ist zu erwarten, dass Kartennutzer eine bestimmte Karte oder den damit zusammenhängenden Gebrauchsvorgang beispielsweise als „finde ich gut“ oder abgestuft „finde ich nicht gut“ klassifizieren würden, wobei sich allerdings bei „Nachfragen“ eine mehr oder weniger differenziertere Einstellung ergeben könnte. Ein solch „erster“ oder auch schon im Vorfeld geprägter Eindruck, ruft Affekte hervor, die den Gebrauch von Karten mitbestimmen. Um einen ersten Einblick in diesen kartographischen Sachverhalt zu gewinnen, kann mit Hilfe eines heute besonders in der Semantik, Psychologie und Werbepsychologie gebräuchlichen, maßgeblich von C. E. Osgood entwickelten Skalierungsverfahren gearbeitet werden. Mit Hilfe dieses Verfahrens, als sogenanntes Semantisches Differenzial oder auch Polaritätsprofil, sollen VPn Adjektivpaare, die bipolar einander gegenübergestellt sind, als affektive Stimuli einer betrachteten Karte zuordnen und aufgrund dieser Zuordnung eine spontane Einstellung gewinnen. Die gebräuchlichen Adjektive führen gelegentlich zu Akzeptanzproblemen bei den VPn, da es zunächst unverständlich erscheint, aus welchem Grund eine Karte etwas mit “stark” oder “schwach” zu tun haben sollte. Das Verfahren soll aber gerade das emotionale Umfeld, den konnotativen Raum, also Einstellungen, Emotionen und Motivationen erfassen, die mit dem Eindruck oder der vermuteten Funktion der entsprechenden Karte im Zusammenhang stehen. Dabei wird die konnotative Ähnlichkeit zwischen den Adjektivpaaren durch Distanzen bzw. Wertabständen in dem jeweiligen Raum intervallskaliert repräsentiert. |
Abb. 31.1 Bipolare Adjektivpaare |
Die für die vorliegende Befragung verwendete Skalierung von Adjektiven ist in vorher durchgeführten Trierer Untersuchungen für vergleichbare kartographische Fragestellungen entwickelt worden (vgl. Abb. 26.2 u. Abb. 31.1). In allgemeinen Untersuchungen wurden große Sammlungen semantischer Differenzialskalen analysiert, aus der sich drei wiederkehrende Faktoren von Einstellungen ergaben, die für der Bewertung von Wörtern und Phrasen verwendet wurden. Dem Faktor Potenz werden u.a. die Adjektivpaare „stark – schwach“ zugeordnet, dem Faktor Bewertung „gut – schlecht“ und dem Faktor Aktivität „aktiv – passiv“. Diese drei Dimensionen affektiver Bedeutung erwiesen sich als interkulturelle Universalien. Allerdings ergaben sich weitere universelle Faktoren, wie etwa Organisation, Typizität oder Komplexität, so dass es sinnvoll erscheint, auch für den kartographischen Bereich spezifische oder ergänzende Adjektive zu entwickeln, um eine affektive Typisierung von kartographischen Elementen oder Szenerien zu ermöglichen. | |
Tab. 31.1 Daten zum Semantischen Differenzial |
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Abb. 31.2 Wirkungstendenz bei Kartographischen Modellformen | |
Die Ergebnisse der Befragung, nach denen die Kartographischen Modellformen durch 14 Versuchspersonen wahrgenommen und eingeschätzt wurden, zeigen relativ deutliche Tendenzen. Berechnet und dargestellt sind Mittelwerte der Ergebnisse, die sich aus den in sechs Abschnitte geteilten (bipolarer) Attributdistanzen ergeben haben (vgl. Abb. 26.2). So können Einzelwerte herausgefunden und interpretiert werden, z.B. der berechnete Mittelwert des Attributpaars „sicher/unsicher“ für die Modellform Isarithmen (rote Linie, s. Abb.31.2), als höchsten Wert mit der Ausprägung 4.43, das heißt, als „unsicherste emotionale Einstellung“ im Verhältnis zu den affektiven Einstellungen bei den anderen Modellformen (s. Tab 31.1). Beim Vergleich von Attributpaaren derselben Modellform ergibt sich beim Attributpaar „positiv/negativ“ der Wert 3.0, das heißt, die Modellform wurde im Verhältnis zu den anderen Modellformen relativ „positiv“ eingeschätzt. |
Für die Modellform Isarithmen hat sich eine „unsichere“ aber trotzdem „positive“ Einstellung ergeben. |
Diese Beispiele zeigen, dass Einzelwerte zwar interpretiert werden können, ihre Bedeutung und ihr Stellenwert aber nicht überbewertet werden sollten. So ist es nicht unmittelbar zu erklären, aus welchem Grund die Modellform Isarithmen einerseits als eher „unsicher“ bewertet und andererseits mit dem Status eher „positiv“ belegt wird. Sicherlich kann dies spekulativ begründet werden. Es zeigt aber zum anderen die Bedeutungslast, die sich hinter den Begriffen verbergen kann. Insofern ist es sicherlich sinnvoller – und so soll im vorliegenden Fall verfahren werden – die Auswertung der Daten vor allem auf den visuellen Vergleichen der Modellformen insgesamt mit statistischen Absicherungen zu konzentrieren (Abb. 31.2). | |
Wie in Abb.31.2 leicht zu verfolgen ist, reichen die gemittelten Nennungen von 2.0 bis 4.5 der Punktskala. Mögliche Extremwerte kommen also nicht vor, bzw. sind nicht berechnet worden (wie 1 und 5, 6). Die relativ unruhig wirkenden Profillinien werden im Wesentlichen durch die Distanzen auf der waagerechten Achse verursacht. Ein relativ ruhiger Verlauf mit einer vermutlich „gefestigten Einstellung“ der VPn trifft besonders für die Modellform Stetige Niveauflächen (3.29 und 3.86) zu. Für die Modellform Flächendiagramme dagegen, mit Werten zwischen 2.86 und 4.43, sind die affektiven Einstellungen der VPs im Mittel relativ ungleichartig und damit gegebenenfalls „unstabil“. | |
Für die Gesamtbeurteilung der erfolgten Nennungen müssen zwei Kriterien besonders berücksichtigt werden. Das erste Kriterium ist die individuelle, affektive Auslegung der Attributpaare, in ihren übertragenden Bedeutungen auf die angebotenen bzw. schon im Vorfeld genutzten Kartenszenerien. Sowohl die Wirkung der Attribute als auch die der Modellformen sollte nicht im Einzelnen, sondern im Zusammenhang ihrer Zuordnung interpretiert werden. Bei sämtlichen Attributpaaren wird eine „positive“ und eine „negative“ Kennzeichnung der Beurteilung der Modellformen impliziert, was auch dem Ziel der Befragung sowie der Auswahl und der Zusammenstellung der Attributpaare entspricht. Das zweite Kriterium, das einen Einfluss auf die Bewertung der Modellformen durch die Attributpaare hat, ist die optische „Tabellenstruktur“ der Attributpaare (vgl. Abb.26.2), die den VPn präsentiert wird. Die übereinander angeordnete Zeilenstruktur mit angenommener „positiv- negativ“ Ausrichtung beeinflusst vermutlich unbewusst die VPn, die danach vermutlich relativ rasch gedeutet und angenommen wird. | |
Unabhängig von den verschiedenen Faktoren und Kriterien die genannt wurden, ergibt sich aus den numerischen und optischen Daten eine interpretierfähige Tendenz in der Beurteilung der Modellformen, die natürlich mit den Ergebnissen der weiteren Teiluntersuchungen verglichen werden sollen. Zwei Ergebnisse sind deutlich abzugrenzen: Einmal die schon erwähnte, im „positiven Bereich“ zwischen 2 und 3 verlaufende blaue Kurve für die Diskreten Niveauflächen. Ihre Nennungen grenzen sich deutlich zu den andern Modellformen ab. Im mehr „mittleren Bereich“ lassen sich, nicht so deutlich, die Modellformen Choroplethen (schwarze Linie) und Isarithmen (grüne Linie) abgrenzen, die im Wesentlichen ähnlich gekennzeichnet sind bzw. deren Linien relativ parallel verlaufen. In den Bereichen 3.5 bis 4.5 mit „negativeren Vorzeichen“ lassen sich Gestufte Gittersignaturen (graue Linie) und Flächendiagramme (braune Linie) abgrenzen, allerdings weniger deutlich, als bei den anderen genannten Modellformen.
Natürlich ließen sich die Ergebnisse noch differenzierter (statistisch) auswerten. Es muss aber darauf verzichtet werden, da mit den beiden folgenden Befragungen konkretere Ergebnisse zu erwarten sind und diese durch die bisherigen Ergebnisse der gefühlsbetonten Befragung anschaulich unterlegt werden sollen. |
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3.1.2 Offene Befragung |
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m Rahmen der kartographischen Lehre und Forschung in Trier hat sich gezeigt, dass der graphische Aspekt von Kartenmodellen nicht immer leicht zu vermitteln ist und teilweise nur bedingt auf Interesse stößt. Daraus entsteht die Frage, ob im Rahmen der Kartographie dieser graphische Aspekt generell nur noch eine geringe Rolle spielt, da beispielsweise in den kartographischen Anwendungsbereichen, wie etwa der Geographie, Planung und Geoinformatik sowie in der angewandten und praktischen Kartographie im Wesentlichen mit Hilfe von Modellen und Systemen gearbeitet wird, bei denen graphische Strukturen häufig vorgegeben sind und diese einer zu konstruierenden Karte automatisch zugeordnet werden. Daran entsteht weiterhin die Frage, ob dieser optische Aspekt grundsätzlich bei der Betrachtung und Auswahl, also der Nutzung von Karten eine Rolle spielt? Unabhängig davon, wird natürlich für diese Befragung und im Rahmen der gesamten Untersuchung vorausgesetzt, dass für die Wahrnehmung und Nutzung von Karten Graphikstrukturen bewusst oder unbewusst ein großer Stellenwert zukommt. | |
3.1.2.1 Äußerungen der Versuchspersonen |
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Im Rahmen der Offenen Befragung wird von den VPn erwartet, dass Sie sich zu den aus den Blickbewegungsexperimenten bekannten Kartenmodellen, hinsichtlich wahrgenommener graphischer Elementstrukturen äußern. Um dies zu unterstützen, wird als Einführung ein erläuternder Text präsentiert, an dem sich die VPn orientieren können:
„Beschreiben Sie das graphische Muster der gezeigten Karte mit eigenen Worten.“ und „Sind Ihnen graphische Teilmuster aufgefallen? Welche Farbverläufe waren in der Karte zu sehen? Waren die Farbverläufe klar voneinander abgegrenzt?“ Die Betrachtung der Modellformen erfolgt jeweils für 30 Sekunden. |
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Die Antworten der Versuchspersonen sind natürlich vor allem auf die jeweilig am Bildschirm präsentierte Modellform ausgerichtet, zum anderen aber auch, mit Fortschreiten der Präsentationen, auf den Bezug oder den Vergleich mit den vorhergehenden Modellformen. Es ist relativ schwer, eine allgemeine Struktur der Antworten abzuleiten. Die sinnvollste Interpretation zielte auf die Registrierung der Häufigkeit verwandter Antworten und danach auf deren begriffliche Verallgemeinerung (vgl. Abb. 36.2). Dabei wird berücksichtigt, ob die Antworten allgemeine Merkmale beschreiben, also unabhängig von der jeweiligen Modellform sind oder sich explizit auf deren graphischen Merkmale beziehen. Weiterhin wird versucht, Bewertungen von graphischen Elementen oder von spezifischen Elementen der jeweiligen Modellform zu isolieren, was allerdings nur selten erfolgt und daher nur bedingt möglich ist. | |
Das besondere Interesse an offenen Befragungen zielt auf die individuell strukturierten Ergebnisse, die sich im vorliegenden Fall vermutlich zunächst an den präsentierten Modellformen orientieren. Dabei geben die einzelnen Ausführungen der VPn gedankliche Repräsentationen wieder, die sich aus identifizierten und bewerteten Elementen und Eigenschaften der angebotenen Kartenszene sowie zusätzlich aus unterstützenden Vorstellungen und Erfahrungen ergeben. Gegebenenfalls repräsentieren die einzelnen Vorgänge gemeinsam einen gedanklichen Zusammenhang, der in der Abfolge der vermerkten Sachverhalte als gedanklicher Prozess gesehen werden kann, mit dem Ziel, durch einen angemessenen Ablauf der einzelnen Prozessschritte die jeweilige Modellform sowie ihre typischen Merkmale zu erfassen. Natürlich können die Prozessabschnitte in ihrer Folge auch zufällig stattfinden oder nicht unmittelbar dem visuellen Zusammenhang angehören. Diese ist allerdings nicht so einfach festzustellen und zu interpretieren, so dass es an dieser Stelle, z.B. mit Hilfe statistischer Verfahren, noch nicht untersucht werden soll. Was dagegen im Folgenden ausgeführt wird, sind die schon oben angeführten Faktoren der Befragung. | |
3.1.2.2 Bewertung der Äußerungen |
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Wie sich herausgestellt hat, lassen sich die Ergebnisse der Befragung in mehrere Antwortkategorien unterteilen, die einmal graphische Kriterien unabhängig von Merkmalen der Modellformen betreffen sowie andere, die diese unmittelbar zum Gegenstand haben. Die erste Sichtweise spiegelt zwar keine unmittelbaren Einstellungen wieder, aus denen sich Bewertungen oder Prioritäten ablesen lassen, sie zeigen aber auf, welche Elemente oder Szenen auffallend sind oder in graphischer Hinsicht Interesse geweckt haben. Die zweite Sichtweise setzt sich mit den Modellformen in unterschiedlicher Weise auseinander, was wiederum auf gedankliche Entscheidungen hinweist, die visuelle und funktionale Beurteilungen bzw. Vorlieben zum Ziel haben. Zur Interpretation der Ergebnisse werden aufgrund dieser Situation sieben Kategorien unterschieden, nach denen versucht wird, die Modellformen aus der Sicht der VPn zu beurteilen (Abb. 31.5).
Allgemeine Merkmale: Die Unterscheidbarkeit und Abgrenzbarkeit von graphischen Elementen und Mustern scheint bei den VPn im Vordergrund bei der Identifizierung von Kartenszenerien zu stehen. Dies gilt weniger für die Modellformen Schattierungen und Isarithmen, da bei ihnen keine Elemente unmittelbar angeboten werden, die es visuell zu differenzieren gilt. Dies liegt vermutlich an dem stetigen Verlauf der abgebildeten Oberflächenflanken, bei denen die genannten Eigenschaften der diskreten Elemente keine unmittelbare Rolle spielen. Diese Aussage steht im gewissen Widerspruch zu der Modellform Stetige Niveaufläche, bei der gleichfalls Oberflächenflanken eine Rolle spielen, die allerdings durch die zugeordnete Farbreihe „Violett bis Grün“ eine gewisse Ordnungsstruktur aufweisen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich die VPn als Basis der Betrachtung auf „Unterscheidbarkeiten“ stützen, um eine Szenerie visuell ordnen und gedanklich aufnehmen zu können. Bewertung von Merkmalen: Diese Kategorie scheint unmittelbar auf die Entdeckung und Strukturierung von graphischen Elementen und Mustern zu folgen, das heißt, die Eignung oder Qualität der Funktionalität der jeweiligen Modellform beurteilen zu können. Dies geschieht bei den genannten Aussagen allerdings ohne direkten Bezug zur jeweiligen Modellform, wobei nicht deutlich wird, inwieweit dies bewusst erfolgt ist. Kriterien sind – formal definiert – „Verteilungen des Auftretens von Elementen“, die „Position einer bestimmten Ausprägung in einer Szene“ oder die „Zuordnung visuell ermittelter Elementausprägung zu der Intensität eines Farbtons“. Meistens sind dies Feststellungen zu der visuellen Grundfunktion der beobachteten Modellform, ohne dass dies ausdrücklich angemerkt bzw. identifiziert wurde. Insgesamt kann schon resümiert werden, dass schon bei vier Modellformen wichtige Funktionsvoraussetzungen erkannt wurden. |
Nennung von allgemeinen Merkmalen: für Stetigen Niveauflächen und Schattierungen wurden „fließende Übergänge“ als konstruktive Merkmale genannt; für Choroplethen und Isarithmen wurden optische Merkmale „nicht als Konstruktionsprinzipen“ genannt; für Flächendiagramme wurden „abgestufte Kreisgrößen mit unterschiedlichen Farbtönen“ als modellbildende Merkmale genannt. |
Abb. 31.5 Zuordnung zu Antwortkategorien | |
Merkmale durch Inhalte erklärt: Bei dieser Kategorie werden die Überlegung deutlich, die schon in den einleitenden Ausführungen angesprochen wurden. Allerdings wurden nur bei relativ wenigen Modellformen graphische Aspekt von Karten mit Inhalten belegt. Am deutlichsten zeigt es sich für Choroplethen, bei denen als Erläuterungen für Merkmale von Farbreihen – als typischer Aspekt des Gebrauchs – Dichtewerte genannt wurden. Bei Schattierungen und Isarithmen wurden beispielhaft Geländeobjekte für die Wirkung von Schattenbildungen bzw. Linienscharungen genannt. Diese Anmerkungen sind dabei fast schon verständlich, da ihre Konstruktionsformen, zumindest in Europa, überwiegend mit Geländemerkmalen verbunden und graphische bzw. optische Beschreibungen unabhängig davon eher schwierig sind. | |
Typische Merkmale der Modellformen: Diese zentrale Kategorie wurde für sechs Modellformen ausgeführt mit Ausnahme der Diskreten Niveauflächen. Allerdings treffen die erfolgten Anmerkungen zur Hälfte das wichtigste Funktionsmerkmal der jeweiligen Modellform, die anderen drei stellen sekundäre Anmerkungen dar, aber mit richtigen begrifflichen Gehalt. Besonders für die Stetigen Niveauflächen und die Schattierungen sind ihre „fließenden Übergänge“ erkannt worden, was z.B. im Wahrnehmungsprozess die Identifizierung von dazwischen liegenden Abständen erschwert und damit indirekt ein wichtiges Funktionsproblem der Modellformen anspricht. Bei Choroplethen und Isarithmen wurden optische Merkmale erkannt, die aber z.B. nicht das Konstruktionsprinzip oder das typische Wirkungsmerkmal repräsentieren. Allein bei der Modellform Flächendiagramm wurden von den VPn häufiger die modellbildenden Kriterien genannt, nämlich „abgestufte Kreisgrößen mit unterschiedlichen Farbtönen“. | |
Vergleich zwischen Modellformen: Dieser Ansatz der Modellbetrachtung wurde nicht vorgegeben oder angedeutet, sondern scheint aus einem gewissen Konstruktionsverständnis der VPn zu resultieren. Dabei ist der Vergleich zwischen Stetiger Niveaufläche und Quadratrasterkarte (Gestufte Gittersignaturen) nur im Bezug zur (nicht genannten) Farbreihe sinnvoll, da sich hinter den Begriffen stetig und gestuft, als zweites Merkmal, ein prinzipieller Unterschied verbirgt. Dagegen sind die beiden anderen Vergleich durchaus sinnvoll, da die Anmerkungen zu den drei verglichenen Modellformen durchaus graphische und konstruktive Beziehungen aufweisen. | |
Merkmale der Modellformen (unklar/falsch); Bewertung der Modellformen (negativ/positiv): Diese beiden Kategorien stehen in einem Zusammenhang, indem „falsche“ Merkmale unmittelbar zu einer „negativen“ Bewertung der entsprechenden Modellform führen könnten. Diese Abhängigkeiten wären natürlich zum einen bei identischen VPn zu erwarten oder aber auch bei Gruppemeinungen. Der Unterschied ist nicht weiter berücksichtigt worden, es ergaben sich aber unabhängig davon deutlich negative Kritiken an den Modellformen Gestufte Gittersignaturen und besonders Schattierung sowie positiv Kriterien bei der Modellform Diskrete Niveauflächen. Diese letztere positive Bewertung wiederholt sich – um spätere Ergebnisse vorwegzunehmen – bei den folgenden Untersuchungen in auffälliger Weise. | |
3.1.2.3 Strukturierte Befragung |
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Mit Hilfe strukturierter Befragungen werden nach selbst erfahrenen Wahrnehmungsprozessen im Rahmen der Blickbewegungsregistrierung Merkmale angebotener Kartenszenen bewertet. Durch die Aufzeichnung der Blickbewegungsprozesse selbst werden diese Befragungsergebnisse dann in den Zusammenhang mit den gemessenen Fixations- und Sakkadenstrukturen gestellt. Dabei stützt sich die gesamte empirische Untersuchung auf zwei kartographische Wahrnehmungsansätze: Zum einen auf die Wahrnehmung von graphischen Elementszenen im Rahmen der sieben Kartographischen Modellformen und zum anderen auf die Wahrnehmung der Verteilung dieser Elementszenen in der Kartenfläche und ihrer optischen Bildung von Mustergrundrissen. | |
Mit dem ersten Wahrnehmungsansatz soll also ermittelt werden, wie sich die graphisch/optische Struktur elementarer graphischer Elemente in ihren Wirkungen und Funktionen unterscheiden. Allein schon diese Elemente führen zu unterschiedlichen Voraussetzungen bei der optischen Orientierung und visuellen Gliederung der verschiedenen Modellszenerien. Wie in Abbildung 30.1 angemerkt und in den sieben Ausschnitten gezeigt wird, unterscheiden sich die Modellformen vor allem in der Beziehung der im Kartenraum verorteten Daten mit der zugeordneten Graphik. Allein bei der Modellform Choroplethen liegt eine strukturelle Übereinstimmung zwischen Dateneinheit als abgegrenzte Flächenszene und Graphikeinheit als entsprechend strukturierte Helligkeits- oder Farbtonfläche vor. Unabhängig davon, ob die Dateneinheit (z.B. als Verwaltungseinheit) in dieser Form sinnvoll angeboten wird, kann im Wahrnehmungsprozess eine unmittelbare visuell/gedankliche Verknüpfung von Informationen erfolgen. Bei den sechs anderen Modellformen sind diese Voraussetzungen in unterschiedlicher Weise nicht gegeben. Besonders bei den Flächendiagrammen findet sogar eine „szenische Täuschung“ statt, indem „punktförmig“ wirkende Diagramme angeboten werden, die sich auf eine „flächenförmige“ Dateneinheit beziehen, wobei diese auch noch zusätzlich durch eine linienhafte Abgrenzung gekennzeichnet ist. Ohne dass an dieser Stelle auf diese und weitere graphische Merkmale weiter eingegangen werden soll, wird vielleicht schon deutlich, dass der Wahrnehmende bei der Informationsgewinnung zum Teil vor völlig unterschiedlich strukturierte Aufgaben gestellt ist und damit schon auf dieser Ebene der Untersuchung differenzierte empirische Ergebnisse zu erwarten sind. | |
Mit dem zweiten Wahrnehmungsansatz soll ermittelt werden, wie angebotene graphische Szenerien im Rahmen von abgegrenzten elementaren Aufgabenstellungen und sich daraus ergebenden Wahrnehmungsprozessen verarbeitet werden. So wird davon ausgegangen, dass bei den verschiedenen Aufgaben und visuell/gedanklichen Abläufen durch die angebotenen optischen Szenerien unterschiedliche visuelle Unterstützungen oder Hemmnisse auftreten und dadurch die Effizienz und Effektivität der Prozesse und Ergebnisse beeinflusst werden. Um die Methoden und Untersuchungsbedingungen sinnvoll abzugrenzen, werden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung elementare Fragestellungen untersucht. So werden als dynamische Komponenten räumliche Verteilungen bei identischen und sich unterscheidenden Elementen sowie die Identifizierung von räumlichen Grundrissen und die Ausbreitung von Elementmustern einer Klasse und die Verbindung zu verschiedenen Klassen untersucht. | |
Daten zur Strukturierten Befragung | |
Abb. 31.6 Strukturierte Befragung – Graphikrelationen der Modellformen | |
Die Ergebnisse der Strukturierten Befragung sollten an dieser Stelle lediglich in der Gesamtschau bewertet werden. Es wäre nicht sinnvoll, einzelne Antworten zu interpretieren, da bei einer solchen nicht immer eindeutig nachvollziebaren Interpretation durchaus neue Fragen entstehen würden und somit der vorliegende Wert nicht aussagekräftig genug wäre. Wie bei sozialwissenschaftlichen Befragungen üblich, muss außerdem die Frage gestellt werden, ob sich tatsächlich die gedanklich ergebenden Eindrücke und Erfahrungen der VPn in der vorgegebenen Antwortskala widerspiegeln oder ob nicht vielmehre andere Faktoren dabei eine zusätzliche Rolle spielen. Dieses Phänomen kann unter „Systematische Antworttendenzen“ zusammengefasst werden, nach denen potentielle Fehlerquellen in Untersuchungen auftreten können (vgl. Bogner 2015Bogner, K. u. Landrock, U. (2015): Antworttendenzen in standardisierten Umfragen. GESIS – Leibniz Institut für Sozialwissenschaften, Mannheim). In der vorliegenden Befragung fällt auf, dass sich die Antworten durchaus in der Mitte der Skala häufen. Dies kann u.a. damit erklärt werden, dass die VPn dazu neigen, unter den vorliegenden Bedingungen eine mittlere Antwort zu wählen. In den Sozial-und Wirtschaftswissenschaften wird dies unter dem Begriff „Zufriedenstellend“ („Satisficing“ nach H. A. Simon 1955Simon, H. A. (1955): A Behavioral Model of Rational Choice. In: Quarterly Journal of Economics. Vol. 69, 99–118.) diskutiert und erklärt, dass bei VPn die „Tendenz zur Mitte“ bestehen kann, um den kognitiven Aufwand für die Beantwortung einer Frage so gering wie möglich zu halten. | |
Die meisten positiven Antworten fallen auf die Modellform Choroplethen (Mittel 2.5). Auch die Unterschiede in den Antworten sind, mit Ausnahme zur Frage der „Helligkeit“ (3.33), relativ gering (1.86 bis 2.86). Besonders die vier dynamischen Fragen sind im Mittel überdurchschnittlich positiv bewertet worden (Mittel 2.29). Insgesamt scheinen neben der konkreten Erfahrung mit der Modellform längerfristig wirkende Kompetenzen und fundiertes Wissen aus dem Zusammenhang der Lehre eine Rolle zu spielen, da diese Modellform dort am häufigsten verwendet wird. Eine gleiche Tendenz zeigt sich auch bei der „Affektbezogenen Befragung“, bei der die Choroplethen ebenfalls am positivsten eingeschätzt werden. Es ist aber noch interessant zu vergleichen, wie die Ergebnisse der Blickbewegungsregistrierung ausfallen, ob sich bei der Durchführung von visuellen Operationen am Bildschirm ähnliche Tendenzen zeigen. | |
Die Modellform Stetige Niveauflächen wird am negativsten eingeschätzt (Mittel 3.88), wobei der Abstand zu den Gestuften Gittersignaturen nur relativ gering ist (3.45). Was aber auffällt, ist die relativ große Spanne der Werte (2.86 bis 5.00) und der Mittelwert für den Bereich der vier dynamischen Fragen (Mittel 4.29), der eine auffallend negative Tendenz zeigt. Gerade bei diesem Fall zeigt sich, dass zur weiteren Bewertung der Modellformen die Ergebnisse der Blickbewegungsregistrierung erforderlich sind bzw. am sinnvollsten im Zusammenhang interpretiert werden müssen. |